Alles rund um den Adventskranz
Hätten Sie es gedacht? Nicht einmal 200 Jahre ist es her, dass der erste Adventskranz aufgestellt wurde. Damit ist der Brauch sehr viel jünger als manch einer vermutet. Wir verraten Ihnen außerdem, wer den Adventskranz erfand und was diese Tradition mit dem Rauhen Haus zu tun hat.
Woher kommt der Adventskranz?
Die Geschichte des Adventskranzes geht auf den evangelischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808-1881) zurück. Er ist der Gründer der diakonischen Stiftung „Das Rauhe Haus“ in Hamburg, wo er auch den Adventskranz erfand.
Pastor Wichern wollte den Kindern, die er im Rauhen Haus aufgenommen hatte, die Vorbereitungszeit bis zum Heiligabend veranschaulichen. Und so bastelte er 1839 aus einem Wagenrad und Kerzen den ersten Adventskranz der Welt. In seinen Tagebuchblättern schrieb Wichern:
Das Ganze diente ebenso wie zur Erbauung als Stärkung und Freude im Herrn.
vgl. Thomas Ehlert: Der Adventskranz und seine Geschichte. Agentur des Rauhen Hauses 2006.
Wie sah der erste Adventskranz aus?
Der erste Adventskranz war im Ursprung tatsächlich so groß wie ein Wagenrad – einfach, weil es ein Wagenrad war, nur mit Kerzen bestückt. Das erklärt auch, warum der Adventskranz in seiner Urform rund ist. Der Kranz war damals jedoch noch nicht mit Tannengrün geschmückt; diese Tradition entstand erst um 1860.
Der Wichernkranz hatte ursprünglich eine Kerze für jeden Tag im Advent, damit die Kinder so die Tage bis Weihnachten abzählen konnten. Vier große, weiße Kerzen symbolisierten die Adventssonntage und kleinere, rote Kerzen die Tage dazwischen. Der Adventskranz konnte früher also zwischen 22 und 28 Kerzen haben – 22, wenn Heiligabend auf den vierten Adventssonntag fiel und 28, wenn Heiligabend am Samstag nach dem vierten Advent war.
Wichern selbst beschreibt, den von ihm erfundenen Brauch, in einer Erzählung von 1848/49:
„Als der Advent kam, brachte der Schulmeister einen großen Kronleuchter in die Stube, worauf so viele Wachslichter steckten, wie es in diesem Jahr Adventstage gab. (…) Am ersten Tag wurde eins der Lichter angezündet, am zweiten Tag dazu ein zweites, am dritten ein drittes und so fort, bis der Lichterkranz immer größer ward und glänzender strahlte. Je mehr Lichter desto größer der Jubel unter den Schulkindern, die des Schulmeisters Hauskinder waren.“
vgl. Johann H. Wichern. Sämtliche Werke, Hamburg 1975, Bd. 7, Seite 556
Seit wann gibt es den Adventskranz?
1839 fertigte Johann Hinrich Wichern den ersten Adventskranz im Originalformat. Seine Idee, die Ankunft Christi durch Licht und Kerzen und eine Art Abzählmodus zu visualisieren, hatte nicht nur im Rauhen Haus großen Erfolg. Nach und nach wollte jeder Haushalt einen eigenen Adventskranz haben. Da der Wichernsche Adventskranz durch seine vielen Kerzen und des dadurch entstehenden Umfangs jedoch zu groß für das heimische Wohnzimmer war, entstand im Laufe der Jahre eine kleinere Version mit nur vier Kerzen am Adventskranz – so wie wir ihn heute kennen. Die Symbolik des Adventskranzes ist dabei gleich geblieben: Die vier verbliebenen Kerzen stehen für die vier Adventssonntage.
Der etwas andere Adventskranz auf rauhes.de
In unserem christlichen Online-Shop haben wir zwar keinen echten Kranz aus Tannenzweigen im Angebot, dafür aber eine wunderschöne Pop-Up-Karte. Ein Adventsgruß mit Überraschungseffekt: Beim Öffnen dieser Klappkarte stellt sich in der Mitte ein Adventskranz in 3D auf.
Ein Licht für alle in der Dunkelheit
Ein Interview mit dem Vorsteher des Rauhen Hauses, Dr. Andreas Theurich, über den Geburtsort des Adventskranzes in Hamburg, seinen „Erfinder“ Johann Hinrich Wichern und über die heutige Bedeutung des Adventskranzes.
Herr Dr. Theurich, warum hat J.H. Wichern, der Gründer des Rauhen Hauses, den Adventskranz „erfunden“?
Andreas Theurich: Wichern hatte die Idee, den Jugendlichen die Zeit bis Weihnachten „anschaulich“ zu verkürzen. Es fanden damals täglich Hausandachten statt und in diesem Rahmen ließ sich der Kranz mit den jeweils neu angezündeten Lichtern sehr gut einbinden. Ich vermute es war eine spontane Idee von ihm, ohne pädagogischen Hintergrund. Heute weiß man, dass man mit Kindern und Jugendlichen Übergänge und besondere Zeiten gestalten soll. Solche Rituale oder Abläufe werden inzwischen fest in die pädagogische Arbeit in Kitas und Schulen eingebaut.
Vielleicht gibt es auch noch einen weiteren Aspekt, der den „Erfolg“ des Adventskranzes befördert hat. Im 19. Jahrhundert war Licht nicht ständig verfügbar, tatsächlich war es vor allem im Winter sehr dunkel. Da hat es sich quasi angeboten sich um eine Lichtquelle – eine Kerze – zu versammeln. So war der Adventskranz sicher ein Objekt, welches Gemeinschaft und Vertrauen schaffte.
Werden noch heute Adventskränze nach Wichern im Rauhen Haus hergestellt und aufgehängt?
Ja, die Originalkränze werden an verschiedenen Stellen im Rauhen Haus aufgehängt, zum Beispiel im Verwaltungsgebäude oder in der evangelischen Schule. Der Wichernsche Adventskranz hängt auch im Hamburger Rathaus, im Hamburger Michel und im Deutschen Bundestag. Er wird allerdings seit Jahrzehnten nicht mehr im Rauhen Haus hergestellt. Wir haben keine klassischen Handwerksbetriebe mehr, die das könnten. Inzwischen werden die Kränze nach unseren Vorgaben bei einem Gartenbaubetrieb bestellt und ausgeliefert.
Spielt die Adventszeit auch heute in der Arbeit des Rauhen Hauses mit Jugendlichen eine Rolle?
Bei unserer Schule spielt der Adventskranz weiterhin eine wichtige Rolle. Da wir dort auch tägliche Andachten und in der Adventszeit Gottesdienste und Adventssingen haben, findet dort natürlich auch der Adventskranz seinen Platz. Eine Gruppe von Grundschülern ist auch dabei, wenn der Kranz Anfang Dezember dem Hamburger Bürgermeister übergeben wird.
Unsere zahlreichen Wohngruppen gestalten den Advent ganz individuell. Und unsere Kita hat auch einen kleinen Adventskranz – den großen Kranz kann man schon aus Gründen des Brandschutzes nicht überall aufhängen.
Haben Sie persönlich in der Adventszeit einen Kranz zu Hause?
Wir haben auch privat einen „normalen“ Adventskranz. Für mich hat das auch eine biographische Note. Meine Oma war Gärtnerin und sie hat uns jahrzehntelang die Adventskränze gebunden. Auch noch im Ruhestand hat sie zur Adventszeit Kränze hergestellt. Selbst als Student bekam ich von meiner Oma weiterhin einen klassischen Adventskranz mit vier roten Kerzen und Tannengrün. Ich finde es ist eine sehr schöne Tradition, die ich nicht missen möchte. Der Advent ist mir wichtig.